Donnerstag, 4. April 2013

[Buchtipp] "Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry" von Rachel Joyce

Eigentlich wollte er nur zum Briefkasten. Dann geht er 1000 Kilometer zu Fuß.
Ein unvergesslicher Roman, der die ganze Welt erobert.

Ich bin auf dem Weg. Du musst nur durchhalten. Ich werde Dich retten, Du wirst schon sehen. Ich werde laufen, und Du wirst leben.
Harold Fry will nur kurz einen Brief einwerfen an seine frühere Kollegin Queenie Hennessy, die im Sterben liegt. Doch dann läuft er am Briefkasten vorbei und auch am Postamt, aus der Stadt hinaus und immer weiter, 87 Tage, 1000 Kilometer. Zu Fuß von Südengland bis an die schottische Grenze zu Queenies Hospiz. Eine Reise, die er jeden Tag neu beginnen muss. Für Queenie. Für seine Frau Maureen. Für seinen Sohn David. Für sich selbst. Und für uns alle.

Ein ganz außergewöhnlicher und tief berührender Roman – über Geheimnisse, besondere Momente und zufällige Begegnungen, die uns von Grund auf verändern. Über Tapferkeit und Betrug, Liebe und Loyalität und ein ganz unscheinbares Paar Segelschuhe.
(Bild- und Textquelle: Fischer)


Meinung:


Ein Brief verändert Harold Frys Leben. Durch ihn hinterfragt er sein "perfektes" Leben und schaut hinter die Fassade, denn seit seiner Pensionierung gibt es nichts mehr zu tun für ihn und so findet er eine neue Aufgabe, er läuft, um seine ehemalige Arbeitskollegin Queenie am Leben zu halten. Er macht sich also auf den Weg von ganz im Süden einmal längs durch England zu laufen, woher der Brief ihn erreicht hat. Während seiner Wanderung hat Harold viel Zeit zum Nachdenken und so rollt er sein Leben nach und nach auf und hinterfragt sehr vieles. So erfahren wir als Leser nach und nach, was es mit Queenie auf sich hat, wie es um Harolds Ehe steht und was es mit seinem Sohn los ist. Obwohl die meisten Erinnerungen für ihn schmerzhaft sind, kommt er gut voran solang er sich auf seinen Weg konzentrieren kann. Die meisten Leute, die er trifft - und auch seine Frau - schauen sein Vorhaben als eine unmögliche Idee an, doch für ihn ist das die Möglichkeit, in sich zu gehen, sein Leben Revue passieren zu lassen und zu überlegen, was die Zukunft für ihn noch bereithalten könnte.
 
Wenn wir nicht ab und zu was Verrücktes tun, können wir uns gleich begraben lassen.

Die Kapitel werden vorwiegend aus der Sicht von Harold erzählt, doch ab und zu erhalten wir auch einen Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt seiner Frau. Das finde ich sehr spannend, denn so sehen wir die ganze Sache aus zwei grundverschiedenen Perspektiven. Denn was soll man denken, was soll man machen, wenn der eigene Mann einen Brief einwerfen möchte und dann plötzlich beschliesst, 1000 Kilometer zu einer ehemaligen Arbeitskollegin zu gehen?.
Rachel Joyce hat einen sehr schönen Schreibstil und beschreibt vor allem die Landschaften sehr bildhaft. Zudem findet man in ihrem Buch viel emotionale Tiefe und fast schon Poesie. In "Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry" entdeckt man sehr viele unheimlich schöne und eindrückliche Textstellen, manchmal auch nur einzelne Sätze.
Es ist eine Geschichte über Freundschaft, Familie, Liebe, Selbstfindung und vor allem auch Vergebung. Vergebung anderen aber auch sich selbst gegenüber. Auf seinem Weg denkt Harold über wirklich wichtige Dinge im Leben nach, die nach und nach in den Hintergrund geraten sind oder über die er sich nie den Kopf zerbrechen wollte. So hat Rachel Joyce einen Roman geschaffen, der den Leser berührt und selber auch etwas aufrütteln möchte.


Die Luft roch grün und nach tausendfachem Neubeginn

Obwohl dieser Roman nicht mit wirklich viel Spannung oder Action aufwarten kann, konnte er mich weitgehendst fesseln, denn er macht einen neugierig. Der Leser möchte wissen, was es denn mit Queenie wirklich auf sich hat und so macht er sich mit Harold zusammen auf den Weg, lernt mit ihm die verschiedensten Menschen und Meinungen kennen und Harold wächst einem mit seiner doch recht naiven Art immer mehr ans Herz.
Im zweiten Drittel hatte das Buch für mich einige Längen und es erinnerte mich stark an den Film "Forest Gump". Vor meinem inneren Auge sah ich oft, wie Forest Gump läuft, sein Bart immer länger wird und immer mehr Leute ihm folgen . . . Diese Parallelen haben mich doch gestört.

 

Fazit:

"Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry" ist eine ruhige Geschichte, die tiefer geht als ich zu Beginn vermutet hätte und mich wirklich faszinieren konnte. Sie zeigt einem wieder einmal auf, dass man das Jetzt viel intensiver leben sollte, damit man später nicht zu vielem Unterlassenem nachtrauert.
 
Buchtipp von Nicole Forrer

Infos zum Buch:

Rachel Joyce: “Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry”, 352 Seiten, FISCHER Krüger (14. Mai 2012), ISBN 978-3810510792